Einem Menschen fällt etwas auf. Das ist nichts besonderes. Auch nicht, dass es sich dabei um einen Menschen handelt, der für mich Texte in Einfacher Sprache gegenliest, um zu entscheiden, ob es sich wirklich um Einfache Sprache handelt. (Einfache Sprache ist etwas anderes als Leichte Sprache. Für Leichte Sprache gibt es DIN Normen und Regeln.) Es ist gut, wenn diesem Menschen Dinge auffallen. Das ist seine Aufgabe.

Diesem Menschen fällt auf, dass es eine Figur in diesem Text gibt, die US-Soldat im Kalten Krieg ist und Soldat geworden ist, obwohl sie keine lauten Geräusche mag.

Was der Mensch deswegen überlegt ist nicht, ob jener Soldat, ein junger, zurückhaltender Mann aus einer Großfamilie, sich aus ökonomischen Gründen zur Armee begeben hat – wie die Figur es selbst begründet: ältester Sohn einer Großfamilie, die von irgendwas leben muss -, nein, der Mensch fragt: Könnte diese Figur neurodivergent sein? Viele neurodivergente Menschen ertragen laute Umgebungen nicht gut.

Ich habe diese Figur nicht so konzipiert, aber mir gefällt, dass man sie offenbar so lesen kann. Ursprünglich ist ihre Abneigung gegen laute Geräusche nur deshalb entstanden, weil sie irgendeine für ihre Rolle untypische Eigenschaft brauchte und das, das erste war, das mir einfiel.

Während ich über all das, was dem gegenlesenden Mensch aufgefallen ist nachdenke fällt mir ein, dass es noch einen Zufall gibt. Der hat nur indirekt mit der Geschichte zu tun: Das Kulturzentrum in der Heidelberger Altstadt, in dem ich früher viel Zeit verbracht habe, ist mittlerweile auf das Gelände des ehemaligen US-Army Stützpunktes umgezogen. Das war mir ganz sicher nicht bewusst, als ich einen jungen Soldaten für eine Geschichte, die Anfang der 1980er Jahre spielt erfunden habe. Zumal ich eigentlich gar nicht erfinden kann, als fantasieloser Mensch, der ich bin. Geschichten finden sich selber. Früher taten sie das gut, nach dem Onlineharrassment, das mir 2019 meine Blogs und damit auch das virtuelle Skizzenbuch zerstörte, tun sie es nur noch sehr zäh.

An einem anderen Tag und an einem anderen Ort habe ich als Geschenk für eine Person einen Buchkalender in einer Buchhandlung besorgt. Das spezielle an diesem Kalender ist, dass er von einem örtlichen Künstler*innenzusammenschluss gestaltet wurde und die Erlöse an eine Initiative zur Leseförderung bei Grundschulkindern gespendet werden. Mit dem Geld sollen Bücher beschafft werden. Zu Anfang des Kalenders stehen Grußworte von Menschen aus der Politik, die davon berichten, wie wichtig es ist, dass Erwachsene – insbesondere Eltern – Kindern vorlesen.

Mir ist als Kind nie vorgelesen worden. Stattdessen wurden mir Bücher in due Hand gedrückt, als ich noch gar nicht lesen wollte. Ich erinnere mich, mich als Erstklässlerin einmal bei meiner Mutter darüber beschwert zu haben. Mit den Büchern sollte ich mich dann selber beschäftigen. Ich fand das langweilig. Vielleicht mangelt es mir deshalb an Fantasie.